Es bleibt dabei: Änderungen eines Grundstückskaufvertrags sind nach bindender Auflassung formfrei zulässig
Von Christian Thiele
Nachdem die Auflassung für die Parteien bindend geworden ist, sind formlose Änderungen des Grundstückskaufvertrags nach Auffassung des BGH möglich. Dies gilt auch dann, wenn – wie üblich – treuhänderische Anweisungen an den Notar erteilt wurden.
Der BGH hat in einem Urteil vom 14. September 2018 (V ZR 213/17) entschieden, dass Änderungen eines Grundstückkaufvertrags nach Auflassung formlos möglich sind, wenn die Auflassung für die Parteien bindend geworden ist. Er hat damit seine Senatsentscheidung vom 28. September 1984 (V ZR 43/83) bestätigt und zudem festgestellt, dass dies auch dann gilt, wenn der Vollzug der Auflassung durch Anweisungen der Kaufvertragsparteien an den Notar vorübergehend gesperrt ist.
Der Fall
Das Urteil des BGH beruht auf dem folgenden Sachverhalt: Der Beklagte kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4. Mai 2011 von der Klägerin, einer Bauträgerin, drei noch zu sanierende Eigentumswohnungen zu einem Preis von insgesamt EUR 309.692,00. In dem Vertrag erklärten die Parteien die Auflassung und der Beklagte beantragte die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch.
Der beurkundende Notar wurde angewiesen, eine die Auflassungserklärung enthaltende beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises nachgewiesen worden ist. Mit Schreiben vom 24. Juli 2012 verlangte der Beklagte von der Klägerin eine Kaufpreisminderung in Höhe von EUR 27.100,00. Der Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnete dieses Schreiben mit dem Zusatz „zur Kenntnis genommen und anerkannt“. Der Beklagte zahlte daraufhin den geminderten Betrag an die Klägerin. Die Klägerin begehrte in der Folge die Zahlung des vollen Betrags unter Verweis auf die Unwirksamkeit der Kaufpreisminderung.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 18. Juli 2017
Das OLG Stuttgart entschied als Vorinstanz entgegen der gefestigten BGH-Rechtsprechung, dass Änderungen eines Grundstücksübertragungsvertrags auch dann der notariellen Beurkundung bedürfen, wenn der Änderungsvertrag nach Auflassung, aber noch vor Eigentumsumschreibung geschlossen werde. Der BGH hatte die Formfreiheit derartiger Änderungen immer damit begründet, dass der Verkäufer mit der Auflassung seine vertragliche Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung bereits erfüllt habe. Diese Rechtsprechung war in der Literatur jedoch erheblicher Kritik ausgesetzt.
In seiner Entscheidung setzt sich das OLG mit diesen Literaturstimmen auseinander und schließt sich diesen an. Maßgebliche Argumente gegen die Formfreiheit ergäben sich aus dem Zweck des Beurkundungszwangs. Dieser beinhalte eine Warn- und Übereilungsfunktion, eine Beweisfunktion und eine Betreuungsfunktion, die durch eine formfreie Änderung unterlaufen würden. Die Beweisfunktion sei auch im Zeitraum zwischen Auflassung und Eintragung relevant, was gerade an dem vorliegenden Streit über eine wirksame Vereinbarung der Kaufpreisminderung sichtbar werde. Die Warnfunktion gelte gleichermaßen zwischen Auflassung und Eintragung, da sonst wie vorliegend übereilt und unüberlegt von Seiten des Veräußerers durch bloße Unterzeichnung eines Schriftstücks ein partieller Kaufpreisverzicht erklärt werden könne. Sollten die Parteien, wie im vorliegenden Fall, dem beurkundenden Notar die Anweisung erteilt haben, eine Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde mit der bereits erklärten Auflassung erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises nachgewiesen sei, so spreche im Übrigen schon dies dagegen, die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung als in vollem Umfang erfüllt anzusehen.
Die Entscheidung des BGH vom 14. September 2018
Der BGH erteilt der Auffassung des OLG eine klare Absage und setzt in seiner Entschei-dung seine ständige Rechtsprechung fort. Danach können Grundstückskaufverträge nach Auflassung formlos abgeändert werden, weil die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt sei und deshalb nicht mehr bestehe. Nach Auffassung des BGH gilt nichts anderes, wenn die Parteien den Notar angewiesen haben, den Eintragungsantrag erst nach Nachweis oder Bestätigung der vollständigen Kaufpreiszahlung zu stellen. Von der Formfreiheit auszunehmen seien allein die Begründung neuer selbstständiger Erwerbs- und Veräußerungspflichten nach der Auflassung.
Eine Änderung dieser gefestigten Rechtsprechung ist nach Auffassung des BGH nicht vorzunehmen, da sich aus § 873 Abs. 2 BGB ergebe, dass Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung formlos möglich seien. In solchen Fällen werde der Sinn und Zweck von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erreicht. Durch die nach erfolgter notarieller Belehrung erklärte, bindende Auflassungserklärung gem. § 873 Abs. 2 BGB hätten die Parteien ihre jeweiligen Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht, weshalb ab diesem Zeitpunkt eine formlose Änderung möglich sein solle. Der BGH gesteht zwar zu, dass mit der bindenden Auflassungserklärung noch keine Erfüllung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB eingetreten sei. Diese könne erst im Leistungserfolg, mithin in der Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch, gesehen werden. Der Eintragungsvorgang sei jedoch als behördliche Tätigkeit nicht Teil der geschuldeten Leistungshandlung, weshalb es auf seine Erfüllung nicht ankommen könne.
Der praktisch wichtige Fall, dass die Parteien nachträgliche Änderungen des Grundstücksvertrags vornehmen, während der Vollzug der Auflassung durch Anweisung an den Notar vorübergehend gesperrt sei, soll zu keiner anderen Wertung führen. Die in § 24 BNotO vorgesehene Treuhandtätigkeit des Notars kann sich in Form einer Vorlagensperre (Zahlung des Kaufpreises muss nachgewiesen werden), einer Ausfertigungssperre (vor Kaufpreiszahlung keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Auflassung) oder der Bewilligungslösung (Bewilligung zur Eigentumsumschreibung durch bevollmächtigten Notar erst nach Kaufpreiszahlung) niederschlagen. Solche Abreden ändern nach Ansicht des BGH jedoch nicht die Vorbehaltlosigkeit und Verbindlichkeit der Auflassung, vielmehr stellen sie „vollzugstechnische Abreden“ dar, die gerade eine bindende Auflassung voraussetzen.
Folgen für die Praxis
Die formfreie Abänderung von Grundstückskaufverträgen war und ist gängige Praxis. Sie erspart den Parteien unnötige Kosten und Mühen. Die Entscheidung des BGH bestätigt diese Praxis und trägt damit in erheblichen Maße zur Rechtssicherheit bei.
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