Beitrag von Jörn Kassow

Wenn mit der Aufstellung eines Bebauungsplans neues Baurecht geschaffen werden soll, setzt dessen Ausnutzung nicht unbedingt voraus, dass das Inkrafttreten des neuen Bebauungsplans abgewartet wird. Vielmehr kann das neu geschaffene Baurecht unter den Voraussetzungen des § 33 des Baugesetzbuchs (BauGB) auch vorzeitig ausgenutzt werden. Dies bietet für den Bauherrn die Chance einer frühzeitigeren Verwirklichung seines Bauvorhabens, beinhaltet aber auch gewisse Risiken.

Die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine solche vorzeitige Ausnutzung des Baurechts sind in § 33 Abs. 1 BauGB geregelt. Hiernach muss der Bebauungsplan insbesondere das sog. Stadium der Planreife erreicht haben, das einen hinreichend verlässlichen Schluss auf die zu erwartenden, zukünftigen Festsetzungen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans zulässt. Weitere Voraussetzung ist unter anderem, dass der Bauherr gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB die Festsetzungen des neuen Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennt.

Dieses Anerkenntnis hat eine weitreichende Bindungswirkung. Es gilt nicht nur zu Lasten des aktuellen Bauherrn, sondern auch gegenüber etwaigen Rechtsnachfolgern. Der Begriff des Rechtsnachfolgers ist dabei umfassend zu verstehen und erstreckt sich neben den jeweiligen Grundeigentümern auch auf alle sonstigen Personen, die die Festsetzungen des Bebauungsplans gegen sich gelten lassen müssen, einschließlich aller Personen, die die auf dem Baugrundstück befindliche bauliche Anlage auf Grund eines obligatorischen oder dinglichen Nutzungsrechts besitzen. Das Anerkenntnis stellt somit eine auf dem Grundstück liegende, dinglich wirkende öffentliche Last dar, die in planungsrechtlicher Hinsicht den baurechtlichen Status des Grundstücks verbindlich festlegt.

Nach einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Mannheim, Urteil vom 10. Oktober 2017, Az. 8 S 1606/15) greift die Bindung an dieses Anerkenntnis sogar dann, wenn der betreffende Bebauungsplan überhaupt nicht wirksam ist:
In diesem Urteil hat der VGH entschieden, dass der betreffende Bebauungsplan zwar voraussichtlich unwirksam sei, der Kläger sich auf diese Unwirksamkeit aber nicht berufen könne. Denn aufgrund des für das Baugrundstück abgegebenen Anerkenntnisses nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB sei es dem Kläger verwehrt, die Wirksamkeit der auf das Grundstück bezogenen, planungsrechtlichen Festsetzungen in Frage zu stellen. Dies gelte insbesondere auch in einem späteren Baugenehmigungsverfahren für ein neues Vorhaben, in dem ansonsten die Wirksamkeit des Bebauungsplans (inzident) zu prüfen wäre.

Das Anerkenntnis nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB führt hiernach in Bezug auf das betroffene Baugrundstück zu einer andauernden, umfassenden Bindung an den Bebauungsplan, selbst wenn sich dessen Festsetzungen im Nachhinein als unwirksam herausstellen sollten und daher beispielsweise für ebenfalls im Geltungsbereich dieses Bebauungsplans liegende Nachbargrundstücke rechtlich unbeachtlich sind. Da das Anerkenntnis mit Blick auf den künftigen Bebauungsplan abgegeben wird, muss die Bindungswirkung allerdings beispielsweise dann entfallen, wenn die Gemeinde den letztlich erlassenen Bebauungsplan später wieder aufhebt und/oder durch einen neuen ersetzt.

Vor diesem Hintergrund sollte sorgfältig überlegt werden, ob von den Möglichkeiten einer frühzeitigen Ausnutzung des Baurechts nach § 33 BauGB wirklich Gebrauch gemacht werden soll, denn mit der gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB hierfür erforderlichen Anerkenntniserklärung wird nach der Rechtsprechung des VGH Mannheim eine „Hypothek“ auf das Grundstück übernommen, die ggf. zu einer dauerhaften Bindung selbst an eigentlich unwirksame Festsetzungen eines Bebauungsplans führt.