Von Christian Thiele und Otto von Gruben

Bei der Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens einer GmbH, z.B. einer Immobilie, bleibt ein Gesellschafterbeschluss nach einer neuen BGH-Entscheidung erforderlich; der BGH lässt allerdings offen, ob dieser notariell zu beurkunden ist.

Der BGH hat in einem Urteil vom 08.01.2019 (II ZR 364/18) entschieden, dass § 179a Abs. 1 AktG auf die GmbH keine entsprechende Anwendung findet. Er widerspricht damit der bislang ganz überwiegenden Ansicht, die einen beurkundeten Gesellschafterbeschluss für die Wirksamkeit eines Vertrages der GmbH über die Veräußerung ihres gesamten Vermögens nach § 179a AktG analog für erforderlich hält.

Ausgangslage

§ 179a Abs. 1 AktG bestimmt, dass ein nicht dem Umwandlungsgesetz unterfallender Vertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, eines Beschlusses der Hauptversammlung nach § 179 AktG bedarf. Der Veräußerungsvertrag ist somit bis zur Entscheidung über die Zustimmung schwebend und bei endgültiger Verweigerung der Zustimmung sogar endgültig unwirksam.
Die bisher herrschende Meinung in der juristischen Literatur hatte aus § 179a Abs. 1 AktG ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip des Verbandsrechts abgeleitet. Daher sei auch bei der Veräußerung des gesamten Vermögens einer GmbH ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, der den Anforderungen des § 179a Abs. 1 AktG genügen müsse.

Diese Ansicht wurde auch durch die Rechtsprechung des BGH gestützt, der etwa in einem Urteil aus dem Jahr 1995 den heutigen § 179a Abs. 1 AktG (damals noch § 361 Abs. 1 AktG) auf sämtliche Personengesellschaften, insbesondere die Kommanditgesellschaft für anwendbar hielt.

Deshalb galt bis dato als annähernd gesichert, dass § 179a Abs. 1 AktG auch auf die GmbH entsprechend Anwendung finden müsse. Dem hat der BGH in seiner aktuellen Entscheidung widersprochen.

Der aktuelle Fall des BGH

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beiden Gesellschafter einer in der Liquidation befindlichen GmbH entschieden, das Betriebsgrundstück zu verkaufen. Über sonstiges wesentliches Vermögen verfügte die GmbH nicht. Der eine Gesellschafter bekundete Interesse am Erwerb des Grundstücks. Gleichwohl schloss der andere Gesellschafter trotz des internen Widerspruches seines Mitgesellschafters mit einem Dritten, dem späteren Beklagten, einen Kaufvertrag über das Grundstück und ließ eine Vormerkung zugunsten des Dritten im Grundbuch eintragen. Daraufhin klagte die GmbH gegen den Käufer auf Löschung der Vormerkung mit der Begründung, der Kaufvertrag sei wegen des Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses unwirksam.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH kam zu dem Schluss, der Kaufvertrages sei nicht wegen eines Verstoßes gegen § 179a Abs. 1 AktG unwirksam, weil diese Vorschrift nicht auf eine GmbH entsprechend anwendbar sei. Es bestehe weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage, die eine entsprechende Anwendung erforderlich mache. Diesen Schluss stützte der BGH unter anderem auf folgende Aspekte:

  • Eines der tragenden Prinzipien des Handelsrechts sei die, für die GmbH in § 37 Abs. 2 GmbHG niedergelegte, Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis des Ge-schäftsführers im Außenverhältnis. § 179a AktG stelle bezüglich dieses Prinzips eine systemfremde Beschränkung dar und sei deshalb nur schwer verallgemeinerungsfähig.
  • Der GmbH-Gesellschafter sei im Vergleich zum Aktionär weniger schutzbedürftig, weil er deutlich stärkere Mitwirkungs-, Kontroll-, sowie Informationsrechte zur Verfügung habe.
  • Der Schutz des Gesellschafters könne auch durch die Anwendung der Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht erreicht werden: Die Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens stelle ein besonders bedeutsames Geschäft dar, zu dessen Vornahme der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschaftsversammlung herbeiführen müsse, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag einen solchen Zustimmungsvorbehalt nicht enthielte. Ein Fehlen dieses Gesellschafterbeschlusses wirke sich aber aufgrund des oben dargestellten Prinzips der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht des Geschäftsführers nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit des Geschäfts selbst aus, sondern sei im ersten Schritt nur eine Pflicht im Innenverhältnis. Allerdings schlage das Fehlen eines solchen Gesellschafterbeschlusses dann auf das Außenverhältnis durch und führe zur Unwirksamkeit des Geschäftes, wenn das Vertrauen des Geschäftspartners auf den Bestand des Geschäftes nicht schutzwürdig sei. Dies sei der Fall, wenn er wisse oder es sich ihm geradezu aufdrängen müsse, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbrauche. Der Vertragspartner der Gesellschaft könne sich aber nicht einfach darauf berufen, dass er von der fehlenden Zustimmung nichts gewusst habe. Ihn träfe in-sofern eine Erkundigungsobliegenheit, wenn Umstände auf einen Missbrauch der Vertretungsmacht hindeuteten.

Folgen für die Praxis

Bei Veräußerungen des gesamten Vermögens einer GmbH dürfte nach wie vor stets ein Gesellschafterbeschluss erforderlich sein, weil es sich dabei regelmäßig um ein besonders bedeutsames Geschäft handeln wird. Maßgeblicher Unterschied ist aber, dass das Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht zwangsläufig zu einer Unwirksamkeit des Vertrages führt. Der Veräußerungsvertrag ist nur noch dann unwirksam, wenn die Voraussetzungen des Missbrauchs der Vertretungsmacht gegeben sind. Daher sollten sich Erwerber weiterhin stets bestätigen bzw. belegen lassen, dass ein solcher Gesellschafterbeschluss vorliegt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte ersichtlich sind, die dafür sprechen, dass es sich bei dem Veräußerungsgegenstand um das ganze Gesellschaftsvermögen einer GmbH handelt. So dürfte es etwa bei einem Immobilienerwerb von einem SPV (Special Purpose Vehicle) regelmäßig der Fall sein.

Die Frage, ob mangels Anwendbarkeit des § 179a Abs. 1 AktG das Erfordernis der Beurkundungsbedürftigkeit des Gesellschafterbeschlusses nunmehr entfällt, hat der BGH offen gelassen. Zwar liegt es aufgrund der Urteilsbegründung nahe, dass der BGH nicht von einem Beurkundungserfordernis ausgeht. Mangels klarer Stellungnahme verbleibt diesbezüglich allerdings eine Rechtsunsicherheit.

Zur Anwendbarkeit des § 179a Abs. 1 AktG auf Kommanditgesellschaften trifft das Urteil ebenfalls keine explizite Aussage. Auch wenn Teile der Argumentation des Urteils ohne Weiteres auf Personengesellschaften übertragbar sind, so enthält das Urteil gleichfalls Hinweise darauf, dass der BGH diesbezüglich an der bisherigen Rechtsprechung festhalten könnte. Aus Vorsichtsgründen ist es daher ratsam, die bisherige Praxis beizubehalten und im Falle der Veräußerung des gesamten Geschäftsbetriebs einer Kommanditgesellschaft weiterhin einen Gesellschafterbeschluss einzuholen.