Von Prof. Dr. Thomas Grützner und Dr. Jonas Menne

Das Bundesjustizministerium hat am 22. August 2019 seinen Entwurf für das Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vorgestellt. Der 147 Seiten und 69 Paragrafen umfassende, bisher nicht veröffentlichte Entwurf regelt die Sanktionierung von Unternehmenskriminalität neu. Unternehmensbezogene Straftaten werden danach künftig intensiver verfolgt und stärker sanktioniert. Gleichzeitig sollen sich Compliance-Maßnahmen und die Kooperation mit Behörden bei der Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen für Unternehmen sanktionsmildernd auswirken. Wir werfen einen ersten Blick auf die wichtigsten bereits bekannten Inhalte des Entwurfes.

  1. Neuregelung außerhalb des OWIG und Einführung des Legalitätsprinzips

Die bisher im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWIG) vorgesehene Möglichkeit der Sanktionierung von Unternehmen soll künftig für Verbandsstraftaten in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Eine der relevantesten Änderungen dabei ist damit verbundene einhergehende Einführung des Legalitätsprinzips. Ermittlungsbehörden wären danach gezwungen, im Fall eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Anwendung des neu angedachten Gesetzes auf Verbandsstraftaten neben dem auf Ordnungswidrigkeiten anzuwendenden OWiG wird zu einigen Herausforderungen führen.

  1. Verbandstraftat und Auslandstaten

Eine Verbandsstraftat ist nach dem Ref-E eine Straftat, „durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte“. (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Ref-E). Einer solchen Verbandsstraftat steht eine Auslandstat, d.h. eine Tat auf die das deutsche Strafrecht keine Anwendung findet unter folgenden Voraussetzungen gleich: (a) die Tat wäre nach deutschem Strafrecht eine Straftat, (b) die Tat ist am Tatort mit Strafe bedroht, (c) der Verband hat zu der Zeit der Tat einen Sitz im Inland und (d) die Tat hat zu einer entsprechenden Pflichtverletzung oder Bereicherung geführt (§ 2 Abs. 2 Ref-E).

  1. Höhere Sanktionen und Verbandssanktionenregister

Für Unternehmen dürfte die geplante Anhebung des Sanktionsrahmens von bisher höchstens EUR 10 Mio. auf künftig bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes die gravierendste Folge sein (§ 9 Ref-E). Die Bemessungsgrundlage der Sanktion am Unternehmensumsatz entspricht den bereits im Kartell- und Datenschutzrecht geltenden Regelungen. Sie orientiert sich an der wirtschaftlichen Einheit des Verbandes. Sie soll allerdings nur für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über EUR 100 Mio. gelten. Daneben wird es – unabhängig vom Umsatz – weiterhin die Möglichkeit der Gewinnabschöpfung geben, die neben die eigentliche Geldsanktion tritt.

Zusätzlich zu der finanziellen Sanktionierung soll es ein Verbandssanktionenregister geben (§ 55 ff. Ref-E), welches grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Ausnahmen sind allerdings für Fallkonstellationen mit einer Vielzahl von Geschädigten vorgesehen.

  1. Sanktionsmilderung durch interne Untersuchungen

Die Durchführung von internen Untersuchungen (§ 18 Ref-E) soll bei der Strafzumessung künftig berücksichtigt werden. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, im Fall von Straftaten im Unternehmen entsprechende interne Untersuchungen durchzuführen. Der Maximalrabatt soll 50 Prozent der ansonsten zu verhängenden Sanktion betragen (§ 19 Ref-E).

Interne Untersuchungen sollen allerdings nur sanktionsmildernd wirken, wenn sie fair, transparent und in Kooperation mit den Ermittlungsbehörden durchgeführt werden. Das vorgesehene Anreizsystem ist an eine funktionale Trennung von Verteidigung und verbandsinterner Untersuchung gekoppelt (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 Ref-E). Eigenständige interne Untersuchungen sollen nach dem Referentenentwurf die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse erhöhen und zu einem Vertrauensvorschuss bei den Verfolgungsbehörden führen. Beides soll aber in einer Kanzlei möglich sein – freilich mittels organisatorischer Vorkehrungen, welche die Trennung sicherstellen.

Daneben setzt vorgesehene das Anreizsystem, welches Unternehmen zumindest die Möglichkeit einer Sanktionsmilderung gewährt voraus, dass

(a)   der Verband „wesentlich dazu beigetragen habe, dass die Verbandsstraftat aufgeklärt werden konnte“ (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Ref-E),

(b)   eine „ununterbrochenes und uneingeschränkte“ Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden voraus (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 Ref-E) erfolgt,

(c)   „alle für die verbandsinterne Untersuchung wesentlichen Dokumente“ gegenüber den Verfolgungsbehörden nach Abschluss der internen Untersuchung zur Verfügung gestellt werden (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 Ref-E),

(d)   die interne Untersuchung „unter Beachtung der Grundsätze eines fairen Verfahrens durchgeführt wurde“, insbesondere Mitarbeitern bestimmte Rechte gewährt werden oder Informationen erteilt werden (Hinweis auf eine Verwendung der Auskünfte im Strafverfahren, Recht auf Beistand eines Anwalts oder Mitglied des Betriebsrats bei Befragungen, Aussageverweigerungsrechte) (§ 18 Abs. 1 Nr. 5 a – c) Ref-E) und

(e)   die verbandsinterne Untersuchung „in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt wird“ (§ 18 Abs. 1 Nr. 6 Ref-E).

Eine Herausforderung bei der Umsetzung der geplanten Regelungen dürfte die Anforderung werden, verbandsinterne Untersuchungen in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen zu führen. Gerade die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erfordern eine gründliche Planung der Sachverhaltsaufklärung und vorherige datenschutzrechtliche Prüfung einzelner Ermittlungsmaßnahmen. Beispielsweise wird vor verbandsinternen Untersuchungen oft eine Datenschutz-Folgenabschätzung notwendig sein. Zudem muss man prüfen, auf welche Weise man die umfangreichen Informationspflichten der DSGVO am besten umsetzt.

  1. Verfahrensrechtliche Vorgaben zu behördlichen Ermittlungsbefugnissen

Der Entwurf sieht verfahrensrechtliche Regelungen für das Sanktionsverfahren vor, die Unternehmen eigene Beschuldigtenrechte einräumen. Dazu gehören insbesondere auch Vorgaben dazu, welche Unterlagen und Erkenntnisse aus unternehmensinternen Ermittlungen beschlagnahmefrei sind.

Der Ref-E knüpft mit einer vorgesehenen Änderung von § 97 StPO – wenig überraschend – an das „geschützte Vertrauensverhältnis“ und das „Vorliegen einer Beschuldigtenstellung“ an. Sachverhaltsaufklärungen, die vor dieser Stellung erfolgten oder anderen Zielen dienen würden, „zum Beispiel der internen Compliance“, würden nicht dazu zählen.

Beschlagnahmeverbote sollen sich nach dem Referentenentwurf nur auf Gegenstände erstrecken, welche in dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Verteidiger und dem Mandanten entstanden sind oder die spezifisches Verteidigungsmaterial darstellen, auf das sich das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten erstreckt. Geschäftsunterlagen, deren Aufbewahrung gesetzlich verpflichtend ist, können diese nicht der Beschlagnahme dadurch entzogen werden. dass sie Beratern überlassen werden.