Von Dr. Christoph Baus und Stefan Patzer

Wie in der Boersen Zeitung berichtet, hat das OLG Karlsruhe in einer bemerkenswerten Entscheidung jüngst ein Ordnungsgeld gegen ein Versicherungsunternehmen verhängt, weil dieses trotz einer „Anordnung des persönlichen Erscheinens“ nach § 141 ZPO weder ein Mitglied des Vorstands noch einen ermächtigten Vertreter in die mündliche Verhandlung entsandt hatte (VersR 2019, 899). Nach Auffassung des Gerichts hat das Nichterscheinen eine gütliche Einigung behindert. Die mit erkennbarem Furor geschriebene Begründung lässt allerdings erkennen, dass das Gericht die Nichtbefolgung der Anordnung vor allem als Ausdruck mangelnden Respekts empfunden hat.

Was war passiert?

Der Senat hatte vier Monate vor dem Termin eine 7-seitige Hinweisverfügung erlassen, die Grundlage eines Güteversuchs sein sollte. Im Termin erschien für das Versicherungsunternehmen allerdings nur ein Unterbevollmächtigter – angesichts des geringen Streitwerts von rund EUR 15.000,00 nicht verwunderlich. Dieser schloss widerruflich den vom Senat vorgeschlagenen Vergleich über EUR 9.000,00 ab. Der Hauptbevollmächtigte widerrief diesen später ohne nähere Begründung. Schließlich einigte man sich mit dem Versicherungsnehmer auf einen niedrigeren Vergleichsbetrag von gut EUR 7.000,00.

Nach Vergleichsschluss – und damit nach dem Ende des Verfahrens! – verhängte das OLG Karlsruhe ein Ordnungsgeld gegen das Unternehmen. Es bemängelte die Missachtung der Anordnung des persönlichen Erscheinens und entschied, dass es „dem Rechtsfrieden [diene], wenn die verschiedenen Beteiligten […] die wechselseitigen Argumente und Standpunkte kennenlernen und verstehen“. Anderenfalls komme es zu einem Kommunikationsproblem: „Wenn der maßgebliche Entscheidungsträger des Versicherungsunternehmens und der Hauptbevollmächtigte an einer mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Informationsweitergabe durch den Unterbevollmächtigten nicht ausreicht, um den zuständigen Entscheidungsträger des Versicherungsunternehmens vollständig über die Erörterungen im Termin zu informieren“ (OLG Karlsruhe, VersR 2019, 899, 901). Dass sich die Parteien letztlich doch auf einen Vergleich verständigt haben, ändere daran nichts.

Das Problem

Gerichte ordnen häufig das persönliche Erscheinen der Parteien zur ersten mündlichen Verhandlung an. Bei einigen Gerichten drängt sich der Eindruck auf, dass dies formularmäßig geschieht. In einer Zeit sich kontinuierlich ausweitender Massenverfahren wird es kaum ein größeres Unternehmen geben, das nicht an einer Vielzahl von Rechtstreitigkeiten beteiligt ist. In der Rechtswirklichkeit sind aber nur die wenigsten Verfahren so bedeutsam, dass sich Vorstand oder Geschäftsführung persönlich damit befassen und an Gerichtsterminen teilnehmen können.

Was tun?

Das Gesetz erlaubt den Gerichten, das persönliche Erscheinen aus zwei Gründen anzuordnen: (i) gemäß § 141 ZPO zur Sachaufklärung und (ii) gemäß § 278 ZPO zur Durchführung eines Güteversuchs.

Anordnung des persönlichen Erscheinens zur Sachverhaltsaufklärung

Die Entscheidung, eine Partei persönlich zu laden, steht im Ermessen des Gerichts. Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an die Ermessensausübung – insbesondere im Hinblick auf das Festsetzen eines Ordnungsgeldes – aber klar konturiert. Demnach besteht der Zweck der Vorschrift allein darin, die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern, und nicht eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu sanktionieren. Das Gericht darf bei Ausbleiben der Partei nur ein Ordnungsgeld festsetzen, wenn das Ausbleiben die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert (BGH NJW-RR 2007, 1364 Tz. 16).

Entsendung eines Vertreters

In den meisten Fällen wird die Geschäftsleitung daher einen Vertreter entsenden können, der zumeist ohnehin näher mit der Angelegenheit befasst ist. Das Gesetz erlaubt dies, sofern der Vertreter in gleichem Maße wie die Partei bei der Aufklärung des Sachverhalts unterstützen kann und zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt ist. Besondere Vorsicht ist indes geboten, wenn der Anwalt selbst als ermächtigter Vertreter agieren soll. Durch die Prozessvollmacht ist er im Außenverhältnis zwar regelmäßig zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt, für eine wirksame Vertretung im Sinne von § 141 ZPO muss er aber den gleichen Kenntnisstand besitzen wie die von ihm vertretene Partei (BGH NJW-RR 2007, 1364 Tz. 7). Insbesondere wenn es aus Sicht des Gerichts auf den Inhalt bestimmter Gespräche der Partei oder den persönlichen Eindruck ankommt, kann auch eine umfassende vorherige Aufklärung des Sachverhalts durch den Anwalt keine Gleichwertigkeit herstellen. Aus diesem Grund hatte derselbe Senat des OLG Karlsruhe in einem anderen Fall, in dem die Partei ihren Anwalt als Vertreter entsandt hatte, das gegen die Partei verhängte Ordnungsgeld bestätigt (OLG Karlsruhe, VersR 2014, 120).

In der Praxis kommt es mitunter vor, dass ein Gericht das persönliche Erscheinen anordnet, obwohl die Partei nichts zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen kann. Liegt der entscheidungserhebliche Sachverhalt längere Zeit zurück, sind die maßgeblichen Beteiligten oftmals aus dem Unternehmen ausgeschieden. In einem solchen Fall kann man ebenfalls auf eine Vertreterlösung zurückgreifen, häufig ist ein Griff zum Telefonhörer aber die bessere Wahl. Hat der Anwalt dem Gericht die Hintergründe erklärt, wird kaum ein Gericht an der Anordnung des persönlichen Erscheinens festhalten.

Persönliches Erscheinen zur Durchführung eines Güteversuchs

Im hier diskutierten Fall hatte das OLG Karlsruhe das persönliche Erscheinen allerdings nicht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts, sondern primär zur Ermöglichung eines Güteversuchs angeordnet. Klar ist, dass das Unternehmen auch hier einen Vertreter entsenden kann. Die überwiegende Auffassung verlangt allerdings, dass Vertreter in der Lage ist, einen unwiderruflichen Vergleich zu schließen. Mit der Unternehmenswirklichkeit passt das nicht zusammen. Denn dort sind im Innenverhältnis immer mehrere Entscheidungsträger beteiligt. Und es kann unmöglich gewollt sein, dass sämtliche Entscheidungsträger anreisen. Das OLG Karlsruhe formuliert nun sogar noch weitergehende Anforderungen und verlangt, dass die Geschäftsleitung jedenfalls den im Unternehmen zuständigen Entscheidungsträger entsendet. Es diene dem Rechtsfrieden, wenn dieser sich „in einer für die Gegenseite und für das Gericht erkennbaren Weise persönlich mit dem Gegenstand des Verfahrens befasse und an der Erörterung im Verhandlungstermin beteilige“.

Einordnung der Entscheidung und Ausblick

Es spricht viel dafür, dass für das OLG Karlsruhe die besonderen Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend waren, ein Ordnungsgeld festzusetzen. So hat der Senat das Ordnungsgeld nicht im Nachgang zur mündlichen Verhandlung verhängt, sondern erst, nachdem der Senat den – zu Lasten des Versicherungsnehmers von seinem ursprünglichen Vorschlag abweichenden – Vergleich protokolliert hatte. Dies wird kaum ein Zufall sein. Die Begründung des Senats legt zudem nahe, dass er die Prozessführung des Versicherungsunternehmens auch im Übrigen als respektlos angesehen hat. Es ist daher zweifelhaft, ob die Entscheidung weitreichende Folgen für die Praxis haben wird. Sie ist allerdings ein Musterbeispiel dafür, dass man ein vom Gericht angeordnetes persönliches Erscheinen niemals einfach ignorieren sollte. Und zwar selbst dann nicht, wenn – wie im besprochenen Fall – der eigene Anwalt dazu geraten hat, dass ein persönliches Erscheinen nicht erforderlich ist.