Von Peter Neuböck

Das gesteigerte gesellschaftliche Bewusstsein gegenüber einer nachhaltigeren Lebensweise macht auch vor der Finanzwelt keinen Halt. Green Bonds & Co. gelten schon lange nicht mehr als esoterische Finanzprodukte sondern bieten vielmehr attraktive Möglichkeiten, Investmentportfolios zu diversifizieren. Grüne Finanzierungen befinden sich auf dem Vormarsch. Nichtsdestotrotz gibt es gerade im rechtlichen Rahmenwerk noch einige Baustellen.

Sustainable Finance, Green Bonds, Green Loans: Diese Begriffe sind innerhalb der Investmentwelt mittlerweile omnipräsent. Die Idee, dass alleiniger Unternehmenszweck die reine Profitmaximierung zugunsten der Aktionäre sei (siehe z.B. Dodge v Ford Motor Co.) ist schon längst passé; Unternehmen haben nicht nur eine Verantwortung ihren Shareholdern gegenüber, sondern eine auch immer größere gesellschaftliche Verantwortung – dies schließt auch Nachhaltigkeit mit ein.

Das steigende Interesse an grünen Investments ist auch aus einer finanziellen Perspektive nicht unbegründet, beinhalten diese doch so einige Vorteile: So können Green Bonds oftmals den Pool an potentiellen Investoren erweitern und so die Finanzierungskosten, hier den Zinscoupon, senken. Vor allem institutionelle Investoren erweitern mittlerweile ihr Exposure auch in Richtung nachhaltiger Investments. Laut einer Umfrage der Climate Bonds Initiative unter knapp 50 der größten europäischen Asset Managers gaben ca. 90% der Befragten an, Corporate Green Bonds als bevorzugte Investmentform am Green Bond Markt zu präferieren, noch vor Entwicklungsbanken oder Emissionen von öffentlicher Seite. Demnach erscheint es geradezu logisch, dass der „Investor-Appetite“ für Finanzprodukte wie Green Bonds im Corporate Sektor ungestillt sein müsste. Doch dem ist (noch) nicht so.

Nicht alles was grün scheint ist auch tatsächlich grün

Allen voran die rechtliche Gretchenfrage: Was genau gilt als „sustainable“ bzw. „green“? Einen rechtlich verbindlichen Standard gibt es derzeit noch nicht, was gerade institutionelle Investoren, die ihre Investment-Entscheidungen vor ihren Investoren rechtfertigen müssen, wohl noch zögern lässt, verstärkt auf Green Finance zu setzen.

Auch wenn auf internationaler Ebene bereits einige unverbindliche und teils anerkannte Guidelines existieren (wie z.B. die „Green Bond Principles“) ist nach wie vor unklar, eine einheitliche Taxonomie existiert noch nicht – denn einerseits ist der (Green) Bond Markt global, andererseits jedoch noch stark fragmentiert, was zu regionalen Unterschieden im regulatorischen Bereich führt. Die Gefahr des „greenwashing“, wonach Investmentprodukten lediglich eine grüne Masche umgehängt wird obwohl sie es gar nicht sind, ist omnipräsent.

Ein erster Schritt in Richtung eines kohärenten Definitionswerks

Der große Vorreiter auf regulatorischer Ebene ist die Europäische Union. Bereits 2018 hat die Kommission im Rahmen des Sustainable Finance Actions Plans einen Entwurf zu einer Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen veröffentlicht. Art. 3 der Verordnung legt die entsprechenden Kriterien, wonach eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, fest. Demnach gilt eine Wirtschaftstätigkeit dann als nachhaltig, wenn sie u.a. mindestens eines der nachstehenden Umweltziele wesentlich fördert und keines der anderen erheblich beeinträchtigt:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz gesunder Ökosysteme

Die Umweltziele werden in den Folgebestimmungen noch weiter definiert, delegierte Rechtsakte der EU-Kommission sollen technische Evaluierungskriterien festlegen. Art. 15 der Verordnung sieht überdies die Einrichtung einer Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen durch die Europäische Kommission vor, die u.a. Experten der Europäischen Umweltagentur, Aufsichtsbehörden und Sachverständige, die die Kommission hinsichtlich der technischen Evaluierungskriterien beraten soll. Durch die Verordnung sollen auch Offenlegungspflichten für Vermögensverwalter und institutionelle Investoren vorgesehen werden, die ökologisch nachhaltige Investitionen anbieten.

Vergangenes Jahr hat eine von der Kommission einberufene Expert Group on Sustainable Finance einen Bericht zu einem „EU Green Bond Standard“ veröffentlicht, der die Einrichtung eines freiwilligen und unverbindlichen EU-weiten Green Bond Standards fördert, der die Effektivität, Transparenz, Vergleichbarkeit und Glaubhaftigkeit eines Green Bond Marktes stärken und zu verstärkten Investments in Green Bonds ermutigen soll. Der Green Bond Standard würde ebenso am Katalog ökologisch nachhaltiger Tätigkeiten angelehnt sein, wäre (vorerst) allerdings ebenso unverbindlich.

Sustainability-linked Bonds als weitere Form für ein nachhaltiges Investment

Mittlerweile existiert auch eine Vielzahl anderer Formen von Green Bonds, wie z.B. „Sustainability-linked Bonds“. Entgegen dem klassischen Archetyp des Green Bonds bei dem ein Betrag in der Höhe der Use of Proceeds der Emission in ein „grünes“ Projekt investiert wird, verlangen Sustainability-linked Bonds keine Investition in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Diese Bonds werden vielmehr dadurch grün, da der Zinskupon an zuvor bestimmte grüne KPIs des Emittenten gekoppelt ist, wie z.B. ein bestimmter Anteil an erneuerbarer Energieerzeugung des Unternehmens, der erreicht bzw. gehalten werden muss. Werden bestimmte Richtwerte nicht erreicht, so steigt auch der Kupon. Landmark Case in diesem Zusammenhang war die Emission solch eines sustainable bonds durch Enel vergangenen Sommer. Die Pressemeldung finden Sie hier. Im Bereich der Kreditfinanzierungen sind sogenannte ESG-Linked Darlehen auf dem Vormarsch. Dabei werden Zinskosten an ESG (Environment, Social, Governance) Ratings geknüpft, wie jüngst die Refinanzierung der Kreditlinien der NORMA Group, die von unserem Corporate Finance Team unter der Leitung von Alexandra Hagelüken betreut wurde, die Meldung finden Sie hier. Hier spielt dann nicht nur das Thema Green sondern zusätzlich das Thema Governance eine Rolle.

Ausblick

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit auch in der Finanzwelt ist davon auszugehen, dass Unternehmen sich weiterhin vermehrt dem Thema Green Finance annehmen werden. Das gesteigerte Interesse auf Seiten der Investoren führt dazu, dass Anleger stärker daran interessiert sind, Fonds auch hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsperformance zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Um die nötige Vergleichbarkeit und zugleich Rechtssicherheit herzustellen, bedarf es allerdings eines einheitlichen rechtlichen Rahmenwerks, insbesondere in puncto Taxonomie und Bewertungskriterien. Denn das Verständnis, was letzten Endes tatsächlich als „grün“ einzustufen ist, liegt vielfach noch im Auge des jeweiligen Betrachters und basiert nicht auf objektivierbaren Kriterien.

Die erhöhte Nachfrage nach nachhaltigen Finanzinstrumenten werden den Druck auf Politik und Regulatoren erhöhen. Auch unser Corporate Finance Team diskutierte gemeinsam mit Vertretern aus der Finanzbranche die Chancen und Herausforderungen von grünen Finanzierungsformen. Die Panlisten waren sich einig, dass insbesondere fehlende rechtliche Rahmenbedingungen dem abschließenden Durchbruch von Green Finance noch entgegenstehen.

 

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