von Dr. Tobias Larisch, Sebastian Goslar, Dr. Rainer Traugott, Dr. Oliver Seiler, Dr. Dirk Kocher

In Krisenzeiten haben Manager besondere Herausforderungen zu bewältigen. Dieser aktuelle Beitrag gibt einen schnellen Überblick über die wesentlichen Gesichtspunkte.

Die Corona-Krise stellt auch das Management von Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Lage ist komplex, unübersichtlich und ändert sich mit immenser Geschwindigkeit.

Das Management eines Unternehmens ist in einer solchen Krisensituation in besonderem Maße gefordert. Damit geht einher, dass die Anforderungen an die Sorgfalt, die es dem Unternehmen schuldet, im Vergleich zu „normalen Zeiten“ gesteigert sind. Zur Haftungsvermeidung verdienen die folgenden fünf Grundsätze der Hervorhebung:

  1. Die Pflicht zur Rechtstreue ist nicht suspendiert.

Auch in Krisensituationen muss das Unternehmen die Vorgaben der Rechtsordnung einhalten. Es gehört zu den Kardinalpflichten des Managements, dies sicherzustellen. Etwaige Versäumnisse hinsichtlich der Rechtstreue begründen eine Haftung des Managements gegenüber dem Unternehmen. Außerdem kann es ordnungswidrigkeits- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

In der gegenwärtigen Situation gilt es insoweit insbesondere Vorkehrungen zu treffen, um rechtzeitig Kenntnis zu erlangen von den zahlreichen Gesetzesänderungen und behördlichen Anordnungen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verabschiedet werden bzw. ergehen, und deren Einhaltung durch die Unternehmensangehörigen sicherzustellen. Dies betrifft etwa die ggf. erforderliche Anpassung betrieblicher Abläufe mit Blick auf Ausgangssperren (vgl. hierzu: Legal Update – COVID-19: Richtiger Umgang mit Ausgangssperren) und Kontaktverbote sowie deren arbeitsschutzrechtliche Implikationen (Legal Update – COVID-19: Kontaktverbote – Haftungsrisiken vermeiden). Soweit das Unternehmen staatliche Hilfen in Anspruch nimmt, sollte es sich vergewissern, dass die beihilferechtlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen worden sind (vgl. hierzu Legal Update – COVID-19: Public Finance Support (State Aid) in the EU and UK).

Börsennotierte Unternehmen müssen zudem prüfen, ob die unternehmensspezifischen Folgen und ihre Reaktionen auf die Corona-Pandemie kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften (EU-Marktmissbrauchsverordnung) auslösen können. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) hat in einer öffentlichen Stellungnahme Emittenten empfohlen, den Kapitalmarkt so bald wie möglich zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre geschäftlichen Aktivitäten zu informieren (ESMA RECOMMENDS ACTION BY FINANCIAL MARKET PARTICIPANTS FOR COVID-19 IMPACT).

Typischerweise ist in Krisensituationen seitens des Managements darüber hinaus den insolvenzrechtlichen Vorgaben besonderes Augenmerk zu schenken. Insoweit dürfte sich für das Management indes eine Erleichterung ergeben, da jüngst Gesetzänderungen verabschiedet wurden, die zu einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie einer Einschränkung von Haftungstatbeständen für Geschäftsleiter bei Vorliegen von Insolvenzantragsgründen führen (vgl. hierzu: Legal Update – Abhilfe für Geschäftsführer und Vorstände in Zeiten von COVID-19: Aussetzung von Insolvenzantragspflichten und Einschränkung von Haftungsvorschriften).

So sehr die Krise dem Unternehmen auch zusetzen mag – die Legalitätspflicht ist einer Ab-wägung nicht zugänglich, so dass ein (in der konkreten Situation vermeintlich) „nützlicher“ Gesetzesverstoß das Management gegenüber dem Unternehmen nicht von der Haftung befreit. Entsprechendes gilt für eine etwaige ordnungswidrigkeits- und strafrechtliche Verantwortlichkeit. Nur wenn dem Management in der konkreten Situation zwei gleichrangige Pflichten auferlegt sind, von denen es nur eine erfüllen kann (sog. rechtfertigenden Pflichtenkollision), ist ein Gesetzesverstoß ausnahmsweise nicht pflichtwidrig. Insoweit bedarf es einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall.

  1. Das Unternehmen ist den Arbeitnehmern zur Fürsorge verpflichtet.

Im Arbeitsverhältnis treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vielzahl von Nebenpflichten. Hierbei stellt die Fürsorgepflicht – als Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers – die wichtigste Nebenpflicht des Arbeitgebers dar. Ein Arbeitgeber darf daher dem Arbeitnehmer nicht grundlos Nachteile zufügen oder ihn der Gefahr eines Schadens aussetzen. Für das Management ergibt sich hieraus im Kontext der Corona-Pandemie insbesondere die Pflicht, die Arbeitsabläufe so zu organisieren, dass das Risiko einer Infektion der Arbeitnehmer mit dem Coronavirus minimiert wird. Im Falle der Einführung von Kurzarbeit umfasst die Für-sorgepflicht des Managements, die für die Gewährung des Kurzarbeitergelds erforderliche schriftliche Anzeige des Arbeitgebers über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß vorzunehmen (Legal Update – COVID-19: Aktuelles zur Kurzarbeit).

  1. Die Sicherstellung einer ausreichenden Liquiditätsausstattung rückt in den Fokus.

Zu den Kernaufgaben des Managements gehört die Pflicht, für eine ausreichende Liquiditätsausstattung des Unternehmens Sorge zu tragen. Dies setzt zunächst eine vernünftige Finanzplanung voraus. Die ursprüngliche Planung dürfte freilich bei vielen Unternehmen als Folge der Corona-Pandemie Makulatur sein. Das Management sollte sich daher insbesondere vergewissern, ob die Organisation des Unternehmens so beschaffen ist, dass ihm jederzeit ein genaues Bild von der wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Unternehmens vermittelt wird.

Darüber hinaus sollte das Management in der aktuellen Situation insbesondere folgende Fragen prüfen:

  • Verfügt das Unternehmen über nicht ausgeschöpfte Kreditlinien bei Banken und sollen diese vorsorglich in Anspruch genommen werden?
  • Kann das Unternehmen bei fällig werdenden Verbindlichkeiten mit den (Waren-)Kreditgebern einen Zahlungsaufschub vereinbaren?
  • Fällt das Unternehmen in den Anwendungsbereich staatlicher Hilfsprogramme und soll es entsprechende Anträge stellen?
  • Verfügt das Unternehmen über Vertragspartner, von denen zusätzliche Sicherheiten verlangt werden sollten, da sie kurzfristig in Schieflage geraten könnten? Sind Vertragspartner – z.B. auf der Grundlage der Neuregelungen zu Moratorium sowie Miet- und Darlehensverträgen – berechtigt, ihrerseits Zahlungen einzustellen oder zurückzuhalten?
  • Besteht die Möglichkeit, sich von kostenintensiven vertraglichen Verpflichtungen etwa unter Berufung auf MAC- oder Force-Majeure-Klauseln oder unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) loszusagen?
  • Gibt es anderweitige Möglichkeiten, geplante Investitionen und Kosten zu senken bzw. auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben?
  • Sollte die bisherige Dividendenpolitik überdacht und jedenfalls bis auf Weiteres keine oder nur eine geringe Dividende an die Anteilseigner ausgezahlt werden?
  • Sind weitere Maßnahmen im Sinne der Notfallplanung erforderlich?

Das Ziel, eine ausreichende Liquiditätsausstattung des Unternehmens sicherzustellen, mag mit dem Erfordernis in Konflikt geraten, einen Geschäftspartner in der Krise finanziell zu unterstützen – sei es durch Zahlungen an den Geschäftspartner oder den Verzicht auf die Geltendmachung von Forderungen gegen den Geschäftspartner. Zwar ist das Management verpflichtet, das Unternehmensvermögen zu schützen. Rechtsgrundlose Zahlungen bzw. die Nichtgeltendmachung von Forderungen des Unternehmens stellen als „Verschwendung von Unternehmensvermögen“ daher regelmäßig Pflichtverletzungen des Managements dar. In der Krise kann es sich hierbei indes um eine unternehmerische Entscheidung handeln, die nach Maßgabe der Business Judgment Rule gerechtfertigt sein kann. Denn das Management mag auf der Grundlage ausreichender Informationen in der Abwägung aller Umstände zu dem Schluss gelangen, dass der Schaden für das eigene Unternehmen größer als der Wert der finanziellen Unterstützung ist, wenn der Geschäftspartner andernfalls (d.h. ohne die finanzielle Unterstützung) den Betrieb einstellen müsste und damit eine Unterbrechung der Lieferkette einhergehen würde. Anschaulich wird dieser Konflikt auch in der öffentlichen Diskussion um die Aussetzung von Mietzahlungen durch einige Großkonzerne auf der Grundlage des neuen Art. 240 § 2 EGBGB.

  1. Die Vorbereitung auf feindliche Übernahmeversuche und/oder das Auftreten von Shareholder Activists muss trotz (oder gerade wegen) der Krise fortgesetzt werden.

So sehr die Eindämmung bzw. Bewältigung der Krise das Management gegenwärtig in Atem hält, darf die Zeit nach Beendigung der akuten Krise nicht aus dem Blick verloren werden. Insbesondere bei börsennotierten Unternehmen kann der gefallene Börsenkurs dazu führen, dass bei Erreichen der Talsohle ein feindliches Übernahmeangebot unterbreitet wird und/oder Shareholder Activists Anteile am Unternehmen erwerben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die geringere Bewertung des Unternehmens an der Börse das allgemeine Marktumfeld widerspiegelt, die Verhältnisse des Unternehmens fundamental aber eine höhere Bewertung rechtfertigen würden. Das Management hat diesem Gesichtspunkt in der Kapitalmarkt-Kommunikation besonderes Gewicht zu verleihen, indem die von der Corona-Pandemie unberührten Stärken des Unternehmens gezielt herausgestellt werden.

  1. In der Krise kommt dem Grundsatz der Gesamtverantwortung des Managements besondere Bedeutung zu.

Nach dem Grundsatz der Gesamtverantwortung des Managements trägt jedes Mitglied des Managements die Pflicht für die Geschäftsleitung im Ganzen. Dieser Allzuständigkeit steht eine umfassende Verantwortung für die Belange der Gesellschaft gegenüber. In Zeiten der Krise ist der Grundsatz der Gesamtverantwortung in besonderem Maße angesprochen. Sämtliche Entscheidungen, die eine ins Gewicht fallende wirtschaftliche und/oder finanzielle Tragweite haben, sollten daher bis auf Weiteres im Gesamtgremium vorbereitet und getroffen werden.

Wie gesagt: Das Management eines Unternehmens ist in der gegenwärtigen, durch die Corona-Pandemie ausgelösten Krise in besonderem Maße gefordert. Die hiermit einhergehenden Herausforderungen können indes bewältigt werden, wenn die oben skizzierten Gesichtspunkte berücksichtigt und allgemein anerkannte Grundsätze der Good Corporate Governance (insbesondere Einbeziehung der zuständigen Gremien; Berücksichtigung etwaiger Zustimmungsvorbehalte; sorgfältige Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen und Abwägungsgesichtspunkte) eingehalten werden.