von Dr. Torsten VolkholzOtto von Gruben, Dr. Jan Frederik Heuer

Welche Handlungsmöglichkeiten stehen dem Vermieter im Falle COVID-19 basierter Mietzahlungsausfälle zur Verfügung?

Durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 27. März 2020 ist das Kündigungsrecht von Vermietern wegen Mietzahlungsverzugs, der in der Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 auftritt und auf den Folgen der COVID-19 Pandemie beruht, bis zum 30. Juni 2022 ausgesetzt. Bald wird man sich vermehrt damit auseinandersetzen müssen, dass entweder längerfristig Mietzahlungen für den oben genannten Dreimonatszeitraum (ganz oder teilweise) ausstehen oder im Falle einer Verschärfung der wirtschaftlichen Schieflage des Mieters ein Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eingeleitet werden könnte.

Im Hinblick auf Mietrückstände für den Dreimonatszeitraum sind mit dem Vermieterpfandrecht und etwaig bestehende Mietsicherheiten mietrechtliche Instrumente vorhanden, mit denen der Vermieter seinen Zahlungsanspruch sichern kann. Zugleich birgt die Stellung eines Insolvenzantrages hinsichtlich des Vermögens des Mieters gewisse Einschränkungen der Reaktionsmöglichkeiten des Vermieters.

Vermieterpfandrecht

Nach den §§ 578 Abs. 1, 562 Abs. 1 BGB steht dem Vermieter für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis – auch bezüglich ausstehender Mietzahlungen für den Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2020 – ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters zu. Die Geltendmachung des Vermieterpfandrechts zur Sicherung der Zahlungsansprüche aus dem o.g. Zeitraum wurde nicht durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ beschränkt. Das Vermieterpfandrecht kann jedoch nur für Mietrückstände sowie Mietforderungen für das laufende und das folgende Mietjahr – nicht Kalenderjahr – geltend gemacht werden. Das heißt, dass das Vermieterpfandrecht, welches für Ansprüche auf Zahlung ausstehender Mieten für den Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2020 geltend gemacht wird, grundsätzlich nicht bis zum 30. Juni 2022 (dem Zeitpunkt, ab dem wegen des Zahlungsverzugs im obigen Zeitraum gekündigt werden kann) aufrechterhalten werden kann. Selbst wenn das Mietverhältnis erst am 1. April 2020 begonnen hätte, wäre eine Geltendmachung nur bis zum 30.03.2022 möglich. Um auch für den aktuellen Zeitraum eine Befriedigung aus dem Vermieterpfandrecht zu erlangen, sollte auf den Ablauf der oben genannten Frist geachtet werden. Abwarten, ob Mietrückstände bis zum 30. Juni 2022 doch noch beglichen werden, kann indes dazu führen, dass aus dem Vermieterpfandrecht überhaupt nicht mehr vorgegangen werden kann.

Das Vermieterpfandrecht zielt auf Sachen des Mieters, die in das Mietobjekt eingebracht wurden und die zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Pfandrechts im Eigentum des Mieters stehen. Eine Sache ist dann „eingebracht“, wenn diese willentlich nicht nur vorübergehend in die Mieträume gebracht worden ist. Wird eine Sache oder ein ganzer Warenbestand nach Einbringung in die Mieträume zur Sicherung von Forderungen übereignet, ist das entstehende Sicherungseigentum des Sicherungsnehmers mit dem Vermieterpfandrecht belastet. Für den Fall, dass die Sicherungsübereignung und die Entstehung des Vermieterpfandrechts zeitlich zusammenfallen, (z.B. regelmäßig bei Raumsicherungsübereignungen eines wechselnden Warenlagers), geht das Vermieterpfandrecht aus einem bestehenden Mietvertrag der Sicherungsübereignung vor, weshalb Banken üblicherweise bei Abschluss einer solchen Sicherungsübereignung einen Verzicht des Vermieters auf sein Vermieterpfandrecht fordern.

Aus dem Vermieterpfandrecht folgt auch das Recht des Vermieters, einer Entfernung von in das Mietobjekt eingebrachten Sachen zu widersprechen, wenn diese nicht dem üblichen Geschäftsbetrieb entspricht (vgl. § 562a BGB).

Verwertung des Vermieterpfandrechts

Das Vermieterpfandrecht räumt dem Vermieter das Recht ein, die dem Pfandrecht unterliegende Sache vom Mieter herauszuverlangen (§ 1231 BGB) und zu verwerten. Eine entsprechende Verwertung kommt ab dem Zeitpunkt der sog. Pfandreife, also mit Fälligkeit der Forderung (vgl. § 1228 Abs. 2 S. 1 BGB), in Betracht.

Befriedigung aus Mietkaution

Für Wohnraummietverhältnisse legt § 551 BGB die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Mietsicherheiten fest. Für andere als Wohnraummietverhältnisse, haben in der Vergangenheit indes Gerichte oftmals die in § 551 BGB gesetzlich geregelten Grundsätze entsprechend angewendet. Im Hinblick auf das Ausbleiben von Mietzahlungen im Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2020 dürfte eine Befriedigung der Vermieter durch Verrechnung mit einer gestellten Mietkaution nicht ohne Weiteres in Betracht kommen. Ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien kommt eine solche Inanspruchnahme während eines laufenden Mietverhältnisses allenfalls in Frage, wenn die betreffende Forderung unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist. Regelmäßig müssen für die Beantwortung dieser Frage die Umstände des jeweiligen Einzelfalls bewertet werden. Im Zusammenhang mit ausbleibenden Mietzahlungen für den o.g. Zeitraum dürfte die Mietzahlungspflicht des Mieters grundsätzlich nicht in Frage stehen (zu den Details hierzu siehe Client Alert Rechtliche Implikationen für Immobilien in Deutschland). Nach Beendigung des Mietverhältnisses kann der Vermieter u.a. wegen Mietrückständen oder Schadensersatzansprüchen die Kaution einbehalten, bzw. gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters die Aufrechnung erklären, ohne dass die von ihm begehrte Forderung unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sein muss.

Insolvenz des Mieters/Kündigungssperre

Besonderheiten in Bezug auf die Rechtswirkungen von ausgebliebenden Mietzahlungen ergeben sich auch in der Insolvenz des Mieters. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufene Mietforderungen in die Insolvenzmasse fallen. Das Mietverhältnis läuft grundsätzlich weiter, auch wenn dem Insolvenzverwalter ein besonderes Kündigungsrecht zusteht (siehe § 109 InsO).

Der Vermieter unterliegt dagegen seinerseits ab Insolvenzantragsstellung einer Kündigungssperre (§ 112 InsO). Durch diese Kündigungssperre ist es ihm verwehrt, ein Miet- oder Pachtverhältnis, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu kündigen, wenn die Kündigung auf einem Verzug mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist oder auf einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners beruht. Die Kündigungssperre betrifft insbesondere eine außerordentliche Kündigung wegen ausgebliebender Mietzahlungen vor Antragstellung. Andere Pflichtverletzungen als solche im Zusammenhang mit Zahlungspflichten können ohne Verstoß gegen § 112 InsO Anlass zu einer außerordentlichen Kündigung geben. Ebenso bleibt die Möglichkeit des Vermieters, das Mietverhältnis nach Insolvenzantragstellung ordentlich zu kündigen, von der Kündigungssperre unberührt, wenn und soweit diese Möglichkeit vertraglich vereinbart oder qua Gesetz erlaubt ist.

Die Kündigungssperre bezieht sich ausschließlich auf Zahlungsrückstände vor Antragstellung. Eine Kündigung wegen etwaiger Rückstände zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung ist nicht ausgeschlossen, jedoch müssen die relevanten Zahlungen mit denen der Mieter in Rückstand gerät, nach Stellung des Antrags fällig geworden und der Mieter mit ihnen in Verzug geraten sein.

Das Vermieterpfandrecht nimmt in einer potenziellen Insolvenz des Mieters eine besondere Stellung ein. Es kann auch nach Stellung eines Insolvenzantrages (aber nur bis zur Insolvenzeröffnung) gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht dem Vermieter ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus einem potentiellen Erlös der Pfandsache zu und die vom Vermieterpfandrecht erfassten Gegenstände des Mieters fallen folglich nicht in die Insolvenzmasse. Voraussetzung für die Entstehung dieses Absonderungsrechts ist, dass die Sachen des Mieters vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebracht werden (vgl. § 91 Abs. 1 InsO). Ein Recht auf Absonderung besteht jedoch nur wegen der Miete für den Zeitraum der letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens. Für weiter zurückliegende Mietforderungen ist eine Absonderung, die auf das Vermieterpfandrecht gestützt wird, nicht möglich.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Insolvenzverwalter weiterhin Sachen im Sinne des § 562 BGB einbringen. Hierbei ist zu beachten, dass die neu eingebrachten Gegenstände nicht für Forderungen haften, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sondern nur für die (nach Eröffnung entstehenden) Masseschulden des Mieters aus dem in der Insolvenz „fortgesetzten“ Mietverhältnis.

Fazit

  • Trotz der Beschränkungen der Rechte der Vermieter durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“, bleibt die Geltendmachung des Vermieterpfandrechts unberührt.
  • Ob eine Verrechnung ausstehender Mietzahlungen mit einer etwaig zu Mietbeginn gestellten Mietkaution möglich ist, bedarf einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls, ist jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen.
  • Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Mieters eröffnet, greift ab Eingang des Antrags beim Insolvenzgericht die Kündigungssperre des § 112 InsO, die einer Kündigung wegen vorinsolvenzlichem Mietzahlungsverzug grundsätzlich entgegensteht.