von Frank GrellJörn Kowalewski, Ulrich KlockenbrinkJan-Philipp Praß

Regierungsentwurf setzt EU Restrukturierungs-Richtlinie um und führt neues Sanierungsinstrumentarium ein.

Die Bundesregierung hat am 14. Oktober 2020 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (im Folgenden: SanInsFoG) veröffentlicht. Dieses Gesetz dient vor allem der mit Spannung erwarteten Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen (im Folgenden Restrukturierungs-Richtlinie). Neben der Schaffung eines der Richtlinienumsetzung dienenden Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (nachfolgend auch StaRUG) enthält der Entwurf eine Reihe von weiteren Neuerungen im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht. Insbesondere soll die Insolvenzordnung an den Stellen angepasst werden, die nach der Evaluation des im Jahr 2011 verabschiedeten Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (kurz: ESUG) von der Bundesregierung für verbesserungswürdig eingeschätzt werden. Nach dem Zeitplan der Bundesregierung soll das Gesetz in wesentlichen Teilen bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG)

Herzstück des Regierungsentwurfs ist der Entwurf des StaRUG, mit dem die Bundesregierung einen offenen und modernen Weg einschlägt. Der weite Katalog an neuen Restrukturierungsinstrumenten eröffnet einerseits Schuldnern die Chance, ein Restrukturierungskonzept mit einer Gläubigermehrheit auch bindend gegen obstruierende Gläubiger durchzusetzen, birgt andererseits aber auch Risiken für die betroffenen Stakeholder sowie die Geschäftsleiter des Schuldners. In jedem Fall dürfte die Auswirkung des Gesetzes auf die deutsche Restrukturierungs- und Insolvenzpraxis massiv sein.

Herzstück: Restrukturierungsplan

Kernbestandteil des StaRUG ist die Option einer außerinsolvenzlichen Restrukturierung über einen Restrukturierungsplan. Der Schuldner soll seinen Gläubigern einen auf einem validen Restrukturierungskonzept basierenden Restrukturierungsplan zur Regelung der Sanierungsmaßnahmen und Sanierungsbeiträge der betroffenen Gläubiger vorlegen können, für dessen Annahme generell eine Mehrheit der im Restrukturierungsplan definierten Gläubigergruppen mit jeweils 75% der Forderungen in der Gläubigergruppe ausreichend ist. Soweit in einer Gruppe die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird, kann ihre Zustimmung unter gewissen Voraussetzungen über einen sog. klassenübergreifenden Cram-Down ersetzt werden. Das StaRUG bedient sich insoweit an Konzepten und Elementen, die teilweise aus dem US-amerikanischen Chapter 11 Verfahren, dem englischen „Scheme of Arrangement“ und dem deutschen Insolvenzplanverfahren bekannt sind, schafft dabei aber insgesamt ein eigenes, neues Modell.

Dem Schuldner (und den Stakeholdern, die den Plan unterstützen) wird dabei Flexibilität gewährt, die Gestaltung des “Verfahrens” den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Anders als im Insolvenzverfahren ist kein konsolidiertes Gesamtverfahren erforderlich. Denkbar wäre etwa eine Restrukturierung allein der Finanzverbindlichkeiten. Zudem besteht die Möglichkeit, die gerichtliche Einbindung gering zu halten und das Verfahren größtenteils privatrechtlich durchzuführen. Das StaRUG führt damit ein selektives und möglichst geräuschloses Restrukturierungsinstrument ein.

Ein solches Verfahren wird für alle Beteiligten nur dann erfolgversprechend sein, wenn es professionell vorbereitet und geführt wird. Das Gesetz enthält an einer Reihe von Stellen Maßnahmen gegen eine unlautere Verwendung des Verfahrens sowie zahlreiche Rechtsschutzmöglichkeiten, so dass auch auf der Seite der Stakeholder, die den Plan ablehnen, Optionen der Interessenwahrung und -durchsetzung bestehen.

Rahmenbedingungen für den Restrukturierungsplan

Insbesondere: Moratorium, Restrukturierungsbeauftragte, Vertragsanpassungen und verschärfte Haftung

Um den Restrukturierungsplan ausarbeiten und verhandeln zu können, bietet das StaRUG die Möglichkeit, ein Moratorium (das Gesetz spricht von Stabilisierungsanordnung) anordnen zu lassen, wodurch Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung von Gläubigern eingeschränkt werden können. Das Moratorium kann zunächst für eine Dauer von bis zu 3 Monaten angeordnet werden, wobei unter gewissen Voraussetzungen Folgeanordnungen zur Verlängerung des Moratoriums bis auf maximal 8 Monate zulässig sind.

In näher geregelten Fällen sollen zudem sog. Restrukturierungsbeauftragte bestellt werden, denen die Aufgabe zukommt, die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens zu überwachen und bei Bedarf zwischen den Parteien zu vermitteln. Hinsichtlich der Person und der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten stehen dem Schuldner und den Gläubigern bestimmte Einflussnahmerechte zu.

Ohne dass die Restrukturierungs-Richtlinie dies zwingend fordern würde (aber auch nicht verbietet), lässt der Entwurf des StaRUG zudem Eingriffe in bestehende Vertragsverhältnisse zu. Unter engen Voraussetzungen kann ein Schuldner über eine gerichtliche Anordnung die Beendigung eines beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Vertrags erwirken, wenn der andere Teil zu einer für die Verwirklichung des Restrukturierungsvorhabens erforderlichen Anpassung oder Beendigung des Vertrags nicht bereit ist. Eine vergleichbare Option ist z. B. in dem holländischen Umsetzungsgesetz vorgesehen. Ein Anwendungsfall könnten langlaufende Mietverträge sein.

Schließlich stellt der Gesetzesentwurf klar, dass mit Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit Geschäftsleiter vordergründig die Interessen der Gläubiger zu vertreten haben. Eine Pflichtverletzung der Geschäftsleiter zulasten der Gläubiger soll ab dem Zeitpunkt der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei Gericht mit einer Außenhaftung gegenüber den betroffenen Gläubigern sanktioniert werden.

Verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Unabhängig von dem SanInsFoG hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die andauernde COVID-19 Pandemie weitere Änderungen im Insolvenzrecht beschlossen: Im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, war eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zunächst bis zum 30. September 2020 vorgesehen. Mit Gesetz vom 25. September 2020 verlängerte der Bundestag die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für solche Unternehmen bis zum 31. Dezember 2020, die aufgrund der Pandemie im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Der Gesetzgeber hat insoweit nicht auf die im ursprünglichen § 4 des Gesetzes vorgesehene Verlängerung im Verordnungswege zurückgegriffen, da nicht eindeutig gewesen sei, ob dies auch eine teilweise Verlängerung abdeckte.