Von: Frank Grell, Dr. Jörn Kowalewski, Dr. Ulrich Klockenbrink, Dr. Jan-Philipp Praß

Durch die Umsetzung der EU Restrukturierungs-Richtlinie soll das deutsche Sanierungs- und Insolvenzrecht modernisiert, effektiver gestaltet und um neue Instrumentarien bereichert werden.

Der Bundestag hat am 17. Dezember 2020 das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (im Folgenden: SanInsFoG) verabschiedet. Das SanInsFoG dient vor allem der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen (im Folgenden Restrukturierungs-Richtlinie). Neben der Schaffung eines der Richtlinienumsetzung dienenden Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (nachfolgend auch StaRUG) enthält das Gesetz eine Reihe von weiteren Neuerungen im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht. Insbesondere soll die Insolvenzordnung an den Stellen angepasst werden, die nach der Evaluation des im Jahr 2011 verabschiedeten Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (kurz: ESUG) von der Bundesregierung für verbesserungswürdig eingeschätzt werden. Darüber hinaus soll in Reaktion auf die Zunahme des Infektionsgeschehens im Spätherbst das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz noch einmal modifiziert werden, was insbesondere beinhaltet, dass die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die sog. November- und Dezemberhilfen erwarten können, im Januar 2021 (weiter) ausgesetzt wird. Das SanInsFoG wird in wesentlichen Teilen bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG)

Herzstück des SanInsFoG ist das StaRUG, durch welches im Wesentlichen die Restrukturierungs-Richtlinie umgesetzt wird. Der dadurch nun vorliegende weite Katalog an neuen Restrukturierungsinstrumenten eröffnet einerseits Schuldnern die Chance, ein Restrukturierungskonzept mit einer Gläubigermehrheit auch bindend gegen obstruierende Gläubiger durchzusetzen, birgt andererseits aber auch Risiken für die betroffenen Stakeholder sowie die Geschäftsleiter des Schuldners. In jedem Fall dürfte die Auswirkung des Gesetzes auf die deutsche Restrukturierungs- und Insolvenzpraxis massiv sein. Dies wird noch einmal dadurch verstärkt, dass andere Mitgliedsstaaten der EU teilweise ebenfalls recht progressive und in Details vom deutschen Ansatz abweichende Umsetzungsgesetze vorgelegt haben.

Kernbestandteil: Sanierung über einen Restrukturierungsplan

Kernbestandteil des StaRUG ist die Option einer außerinsolvenzlichen Restrukturierung über einen Restrukturierungsplan. Der Schuldner kann seinen Gläubigern einen auf einem validen Restrukturierungskonzept basierenden Restrukturierungsplan zur Regelung der Sanierungsmaßnahmen und Sanierungsbeiträge der betroffenen Gläubiger vorlegen, für dessen Annahme generell eine Mehrheit der im Restrukturierungsplan definierten Gläubigergruppen mit jeweils 75% der Forderungen in der Gläubigergruppe ausreichend ist. Soweit in einer Gruppe die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird, kann ihre Zustimmung unter gewissen Voraussetzungen über einen sog. klassenübergreifenden Cram-Down ersetzt werden. Das StaRUG bedient sich insoweit an Konzepten und Elementen, die teilweise aus dem US-amerikanischen Chapter 11 Verfahren, dem englischen „Scheme of Arrangement“ und dem deutschen Insolvenzplanverfahren bekannt sind, schafft dabei aber insgesamt ein eigenes, neues Modell.

Dem Schuldner (und den Stakeholdern, die den Plan unterstützen) wird dabei Flexibilität gewährt, die Gestaltung des “Verfahrens” den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Anders als im Insolvenzverfahren ist kein konsolidiertes Gesamtverfahren erforderlich. Denkbar wäre etwa eine Restrukturierung allein der Finanzverbindlichkeiten. Zudem besteht die Möglichkeit, die gerichtliche Einbindung gering zu halten und das Verfahren größtenteils privatrechtlich durchzuführen. Das StaRUG führt damit ein selektives und möglichst geräuschloses Restrukturierungsinstrument ein.

Die Nutzung des Restrukturierungsrahmens wird für alle Beteiligten nur dann zum gewünschten Erfolg führen, wenn sie professionell und lege artis vorbereitet und durchgeführt wird. Das Gesetz enthält an einer Reihe von Stellen Maßnahmen gegen eine unlautere Verwendung des Rahmens sowie zahlreiche Rechtsschutzmöglichkeiten, so dass auch auf der Seite der Stakeholder, die den Plan ablehnen, Optionen der Interessenwahrung und -durchsetzung bestehen.

Rahmenbedingungen für den Restrukturierungsplan

Insbesondere: Moratorium, Restrukturierungsbeauftragter, Gläubigerbeirat und verschärfte Haftung

Um den Restrukturierungsplan ausarbeiten und verhandeln zu können, bietet das StaRUG die Möglichkeit, ein Moratorium (das Gesetz spricht von Stabilisierungsanordnung) anordnen zu lassen, wodurch Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung von Gläubigern eingeschränkt werden können. Das Moratorium kann zunächst höchstens für eine Dauer von bis zu 3 Monaten angeordnet werden, wobei unter gewissen Voraussetzungen Folgeanordnungen zur Verlängerung des Moratoriums bis auf maximal 8 Monate zulässig sind.

In näher geregelten Fällen soll zudem ein sog. Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, dem die Aufgabe zukommt, die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens zu überwachen und bei Bedarf zwischen den Parteien zu vermitteln. Hinsichtlich der Person und der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten stehen dem Schuldner und den Gläubigern bestimmte Einflussnahmerechte zu. Zudem wurde kurz vor Verabschiedung des Gesetzes auf Empfehlung des Rechtsausschusses noch die Möglichkeit vorgesehen, dass ein sog. Gläubigerbeirat eingesetzt wird, soweit die angestrebte Restrukturierungssache gesamtverfahrensartige Züge aufweist. Dem Gläubigerbeirat steht dann etwa auch ein Vorschlagsrecht für die Person des Restrukturierungsbeauftragten zu.

Ebenfalls quasi „in letzter Minute“ vor Verabschiedung des SanInsFoG haben sich im Vergleich zu dem Regierungsentwurf vom 14. Oktober 2020 noch drei wesentliche Änderungen ergeben:

  • Der Regierungsentwurf sah als weiteres Sanierungsinstrument vor, dass unter gewissen Voraussetzungen bestehende Vertragsverhältnisse (wie z. B. langlaufende Mietverträge) durch das Gericht beendet werden konnten. Diese Regelung war während des Gesetzgebungsverfahrens sicherlich das insgesamt umstrittenste Thema und wurde nun in der finalen Fassung des Gesetzes aufgegeben. Zwangsweise Vertragsbeendigungen sollen (weiterhin) nur nach den §§ 103 ff. InsO innerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich bleiben.
  • Der Regierungsentwurf enthielt eine ausdrückliche Regelung, dass mit Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit Geschäftsleiter vordergründig die Interessen der Gläubiger zu vertreten haben. Diese Regelung wurde nunmehr „mit Blick auf ihr unklares Verhältnis zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten“ gestrichen. Der Rechtsausschuss geht jedoch davon aus, dass dadurch keine Haftungslücken entstehen, sondern dies durch die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen aufgefangen werde, die nun sicherlich in Zukunft stärker zu konturieren sind. Zugleich wurde die ursprünglich ab Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht vorgesehene Außenhaftung der Geschäftsleiter bei Verletzung gläubigerschützender Pflichten nun durch eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft auf Ersatz des den Gläubigern daraus resultierenden Gesamtschadens ersetzt.
  • Begrüßenswert ist, dass die bereits im Regierungsentwurf vorgesehene Möglichkeit, durch einen Restrukturierungsplan in von Tochtergesellschaften bestellte Sicherheiten einzugreifen, auf Eingriffe in Sicherheiten von Mutter- und Schwestergesellschaften erweitert wurde. Die besicherten Gläubiger sind für derartige Eingriffe angemessen zu entschädigen.

Weitere Erleichterungen für von COVID-19 wirtschaftlich betroffene Unternehmen

Nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz gilt noch bis zum 31. Dezember 2020 eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Infolge der wieder gestiegenen Infektionszahlen und der daraufhin verhängten strengeren behördlichen Anordnungen sieht das SanInsFoG einige weitere Erleichterungen für Unternehmen vor, die aufgrund der wirtschaftlichen Implikationen der Pandemie in Insolvenz geraten sind. Dazu zählen folgende Maßnahmen:

  • Der Prognosezeitraum für die Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung wird in dem Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2021 von zwölf auf vier Monate reduziert, wenn die Überschuldung des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist (wofür das Gesetz weitere Kriterien vorgibt).
  • Bis zum 31. Januar 2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 einen – nicht offensichtlich aussichtslosen oder unzureichenden – Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben oder davon aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen abhalten wurden.
  • Zudem gelten für durch die COVID-19-Pandemie wirtschaftlich betroffene Unternehmen gewisse Erleichterungen beim Zugang zum Schutzschirmverfahren.