Von Tim WybitulDr. Isabelle Brams

Die Frage, wie weit das Recht auf Erhalt einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO reicht, ist in der Praxis heftig umstritten. Mit dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nunmehr erstmalig ein oberstes Bundesgericht zu dieser Frage Stellung genommen. Mit seinem Urteil vom 27. April 2021 hat der 2. Senat des BAG eine Revision abgewiesen, die auf „Überlassung einer Kopie von E-Mails“ gerichtet war. Ein solcher Klageantrag sei nicht hinreichend bestimmt und damit unzulässig (Az. 2 AZR 342/20). Das BAG konnte damit offenlassen, wie weit das Recht auf Erhalt einer Kopie in der Praxis konkret auszulegen ist. Zudem konnte der Senat so auf eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) verzichten. Damit wird die Rechtsfrage weiterhin für Diskussionen sorgen.

Sachverhalt

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der als Wirtschaftsjurist tätige Kläger gegen seine ehemalige Arbeitgeberin einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO gestellt. Dem Antrag lag ein Streit um die Wirksamkeit einer vom Unternehmen ausgesprochenen Probezeitkündigung zugrunde. Der Kläger verlangte mit seinem Antrag unter anderem auch die Überlassung einer Kopie sämtlicher E-Mails, die von ihm versandt und empfangen oder in denen er genannt wurde.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Hameln hatte den entsprechenden Antrag als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen als Berufungsinstanz gab dem Antrag teilweise statt und wies die Berufung im Übrigen ab.

Entscheidung des BAG

Das BAG wies den vom Kläger gestellten Antrag auf Überlassung einer Kopie der E-Mail-Korrespondenz mit und über ihn in der Revision als unzulässig zurück. Ausweislich der bislang vorliegenden Pressemitteilung (hier abrufbar) hält das BAG den vom Kläger gestellten Antrag für nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist.

Das BAG führte zutreffend aus, dass auf Basis des vom Kläger gestellten Antrags eine Zwangsvollstreckung nicht möglich gewesen wäre. Insbesondere hätte das Vollstreckungsgericht nicht erkennen können, welche E-Mails die Beklagte konkret zu überlassen hätte.

Das BAG wies jedoch abschließend darauf hin, dass es dem Kläger frei gestanden hätte, einen den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Klageantrag zu stellen. Aus Sicht des BAG können betroffene Personen Auskunftsanträge überdies auch im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO gerichtlich verfolgen. Das BAG konnte damit offenlassen, wie weit das Recht auf Erhalt einer Kopie nach Art. 15 DSGVO in der Praxis konkret auszulegen ist.

Einordnung und Ausblick

In der Praxis wurde die Entscheidung des BAG mit Spannung erwartet. Denn die Frage, wie weit das Recht auf Erhalt einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auszulegen ist, zählt zu einer der meist diskutierten Fragen seit Inkrafttreten der DSGVO. So legen einige Gerichte und Datenschutzaufsichtsbehörden den Anspruch auf Erhalt einer Kopie sehr weit aus. Dies gilt etwa für den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg oder das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 20. Dezember 2018, Az. 17 Sa 11/18) sowie die 23. Kammer des Landgerichts (LG) Köln (Urteil vom 11. November 2020, Az. 23 O 172/19). Nach deren Ansicht umfasse das Recht auf Erhalt einer Kopie neben den in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten Informationen grundsätzlich sämtliche Daten, die der Verantwortliche über den Antragsteller erhoben hat.

Demgegenüber wollen andere Gerichte und Datenschutzaufsichtsbehörden Art. 15 Abs. 3 DSGVO deutlich restriktiver auslegen, etwa der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht oder die 26. Kammer des LG Köln (Teilurteil vom 18. März 2019, Az. 26 O 25/18). Aus deren Sicht erstreckt sich das Recht auf Erhalt einer Kopie gerade nicht auf E-Mails und sonstige interne Korrespondenz, sondern primär auf solche Informationen, die zur Geltendmachung der Datenschutzrechte des Antragstellers erforderlich sind.

Eine extensive Auslegung des Rechts auf Erhalt einer Kopie hätte für die Praxis weitreichende Folgen. Denn einige Gerichte gehen davon aus, dass betroffenen Personen bei Verstößen gegen die in Art. 15 DSGVO geregelten Vorgaben immaterielle Schadensersatzansprüche zustehen können (vgl. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2020, Az. 9 Ca 6557/18: EUR 5.000; ArbG Neumünster., Urteil vom 11. August 2020, Az. 1  Ca 247 c/20: EUR 1.500).

Anders als teilweise erhofft, schafft die Entscheidung des BAG im Hinblick auf die genannte Rechtsfrage nicht für Rechtssicherheit. Da das BAG den vom Kläger gestellten Antrag bereits für unzulässig hielt, konnte es die Reichweite des Rechts auf Erhalt einer Kopie offenlassen. Aus der bislang veröffentlichten Pressemitteilung ergibt sich nicht, ob das BAG zu dieser Rechtsfrage in seinem Urteil noch einzelne Aussagen treffen wird.

Die Entscheidung des BAG ist für die Praxis dennoch wichtig. Denn das BAG hat in seiner Klage zutreffend klargestellt, dass generell gehaltene Auskunftsanträge, die lediglich den Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO wiederholen, dem zivilprozessualen Bestimmtheitsgrundsatz in aller Regel nicht entsprechen. Es ist denkbar, dass Kläger künftig zunehmend auf Stufenklagen umschwenken werden, um Ansprüche auf Erhalt von Datenkopien vor Gericht durchzusetzen. Sollte sich dieser Ansatz in der Praxis als zulässige Klageart etablieren, könnte sich das BAG in naher Zukunft wieder mit Rechtsfragen zu Art. 15 DSGVO konfrontiert sehen – ohne sich dieser Diskussion unter Hinweis auf Zulässigkeitsbedenken entziehen zu können. Allerdings ist die Rechtsfigur der Stufenklage in der praktischen Anwendung durchaus komplex; dies eröffnet beklagten Unternehmen einige prozessuale Verteidigungsmöglichkeiten.

Das Urteil des BAG zeigt deutlich, dass datenschutzrechtliche Streitigkeiten vor Gericht (sog. data privacy litigations) einen immer größeren Stellenwert einnehmen. Es zeigt aber auch, dass in solchen Verfahren nicht selten neben den datenschutzrechtlichen Fragestellungen auch prozessual genaues Arbeiten notwendig ist. Dies gilt sowohl für die Geltendmachung als auch für die Abwehr von Klagen auf Basis der DSGVO.